Sokratisches Gespräch und Community Building

11. Juli 2017

Leonard Nelson beschreibt, wie es in einem Sokratischen Gespräch zugeht:

… Da tauchen neue, verständnislosere Fragen auf. Schon beginnen einzelne zu schweigen. Es schweigen ganze Gruppen. Dazwischen geht die Unruhe der immer zielloser werdenden Fragen. Selbst die anfangs noch Sicheren lassen sich dadurch verwirren. Sie verlieren gleichfalls den Faden. Sie wissen nicht, wie sie ihn wiederfinden sollen. Endlich weiß niemand mehr, wohin die Aussprache steuert.
Die schon bei Sokrates berühmte Verwirrung ist eingetreten. Alle sitzen ratlos da. Das anfangs Gewisse ist ihnen ungewiss geworden.

Dies scheint dem Übergang vom Chaos in die Leere zu entsprechen. Auch Hinweise auf die Tücken des Verharrens in der Pseudogemeinschaft gibt es:

Aber viele erlahmen und werden überdrüssig, wenn ihre Kenntnisse verschmäht werden, wenn die ersten selbständigen Schritte sie nicht vorwärtsbringen.
Über die Rolle des Fascilitators heißt es:
Der philosophische Lehrer, der nicht den Mut hat, seine Schüler vor diese Probleme der Verwirrung und Entmutigung zu stellen, beraubt sie nicht nur der Fähigkeit, die Widerstandskraft auszubilden, deren der Forscher bedarf, er täuscht sie über ihr eigenes Können und macht sie unehrlich gegen sich selbst.
Um das gelingende Sokratische Gespräch zu charakterisieren, zitiert Nelson Plato:
Es lässt sich nicht in Worte fassen, sondern aus lange Zeit fortgesetztem Verkehr und aus entsprechender Lebensgemeinschaft tritt es plötzlich in der Seele hervor wie ein durch einen abspringenden Funken entzündetes Licht und nährt sich dann durch sich selbst.
Alles dasselbe: Erleuchtung, Gemeinschaft im Sinne des Community Building nach Scott Peck, gelingendes Philosophieren im Sokratischen Gespräch

Quelle: Das Sokratische Gespräch


Wunde*

22. Mai 2013

Wunder gibt es immer wieder
heute oder morgen
können sie geschehn.
Wunder gibt es immer wieder
wenn sie dir begegnen
musst du sie auch sehn.

Wunden gibt es immer wieder
heute oder morgen
können sie geschehn.
Wunden gibt es immer wieder
wenn sie dir begegnen
musst du sie auch sehn.


GfK vs. CB

21. Mai 2013

Wenn ich mir „gewöhnliche“ Kommunikation als Begegnung zweier mit Ritterrüstungen und allerlei Waffen ausgestatteten Menschen vorstelle, ergibt sich folgendes Bild. Im Normalfall schlagen die Beiden aufeinander ein und sehen nicht, was hinter der Maske ist. Manchen Leuten passt das nicht mehr, andere sehen keinen Handlungsbedarf.

Die Gewaltfreie Kommunikation tauscht die Keulen, Speere und Netze gegen allerlei wunderliches Werkzeug aus: Schraubenzieher, Zangen zum Auseinandernehmen der Rüstungen. Lupen zum Erkennen von kleinsten Rissen oder Schräubchen im eigenen Panzer und dem der anderen. Die Werkzeuge heißen „4 Schritte“ oder empathisches Zuhören. Es gibt ausführliche Bedienungsanleitungen. Manche verwenden die neuen Werkzeuge wie die alten Waffen und erscheinen dem Rest der Menschheit ziemlich seltsam. Aber es klappt auch, dass mit den Werkzeugen die Rüstungen fallen und die Menschen stehen sich nackt und unverfremdet gegenüber – können sich begegnen.

Beim Community Building schlagen die Ritter mit ihren Keulen in einem geschützten Raum aufeinander ein. Der Raum darf nicht verlassen werden. Irgendwann ermatten die Kämpfer, die Rüstungen zerspringen unter den Schlägen und die Menschen stehen sich nackt und unverfremdet gegenüber – können sich begegnen.

Begegnen sich ein CB-Keulenschwinger und ein GfK-Feinmechaniker, sind gewisse Verständigungsschwierigkeiten vorprogrammiert. Der Keulenschwinger behauptet die Notwendigkeit der wuchtigen Schläge. Der Feinmechaniker schwört Stein und Bein, dass er gar keine Keule mehr hat.

P.S. Das Bild krankt natürlich wieder an dem Dualismus: nackter Mensch/echter Mensch vs. Mensch mit Rüstung/entfremdeter Mensch.


OKinismus

20. Mai 2013

Zitiert einer Scott Peck: „Du bist nicht OK und ich bin nicht OK. Und das ist OK.“

Erwidert ein anderer: „Du bist nicht OK und das ist nicht OK. Ich bin nicht OK und das ist nicht OK. Und das ist OK.“

Sagt der erste: „Und beides ist OK.“

Fällt mir ein: „Und das Ganze setzt voraus, dass es so etwas wie OK und nicht OK überhaupt gibt.“

PS: Natürlich gibt es OK, weil es verwendet wird, genauso wie es den Weihnachtsmann gibt. Und es gibt OK natürlich nicht, das haben sich die Menschen nur ausgedacht, wie den Weihnachtsmann. Aber das ist ein alter Hut, der mir in so einer langwierigen CB-Session in Jahnishausen wieder eingefallen ist.


Bockig

7. August 2012

Aus meiner stalinistischen Psychologieausbildung ist mir ein Satz hängengeblieben:

Das Psychische entwickelt sich in der Tätigkeit.

Atmen, Sitzen, Meditieren, in CB-Runden rumsitzen: Ist das Tätigkeit, ist das Leben? Spätestens, wenn ein verzweifelter Mensch sagt: „Ich weiß gar nicht mehr, wo ich hinatmen soll!“ fängt es für mich an, problematisch zu werden. Sind Nahrungsergänzungsmittel und Diäten gutes Essen. Sind Bodybuilding oder Marathonlauf das, was der Körper braucht.


Der kommende Aufstand

19. Januar 2011

In der gedruckten Version der Flugschrift „Der kommende Aufstand“ gibt es eine Stelle, die meiner Meinung nach sehr schön die authentische Gemeinschaft von Scott Peck beschreibt – aber eben radikal und konkret und nicht als rührselige Stuhlkreiserfahrung:

Die Organisationen sind ein Hindernis dabei, sich zu organisieren.
In Wahrheit gibt es keinen Abstand zwischen dem, was wir sind, dem, was wir machen, und dem, was wir werden. Die – politischen oder gewerkschaftlichen, faschistischen oder anarchistischen – Organisationen fangen immer damit an, diese Seiten der Existenz praktisch zu trennen. Sie haben anschließend leichtes Spiel, ihren stupiden Formalismus als das einzige Heilmittel für diese Trennung darzustellen. Sich zu organisieren, heißt nicht, der Impotenz eine Struktur geben. Es heißt vor allem, Bindungen zu knüpfen, Bindungen, die nicht neutral sind, schrecklich parteiliche Bindungen. Der Grad an Organisation misst sich an der Intensität des – materiellen und spirituellen – Teilens.


Aristoteles und Community Building

19. Januar 2011

Aristoteles referiert in seiner „Nikomachischen Ethik“ über die Freundschaft: „Denn die Freundschaft ist nichts anderes als die Entscheidung, miteinander zu leben.“ Bei ihm gibt es drei Gründe in Beziehung/Freundschaft zu treten: Zum einen gemeinsamer Nutzen bzw. gemeinsame Lust/Freude oder aber in vollendeter Form die „Charakterfreundschaft“, bei der die Freundschaft um ihrer selbst willen bzw. des Freundes willen geschlossen wird. Das passt gut zum Peckschen Konzept von Pseudogemeinschaft und authentischer Gemeinschaft.

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